Die Hamburger Caritas will mit Hilfe eines deutschlandweit einzigartigen Projektes Obdachlosen die Möglichkeit geben, sich die Zähne behandeln zu lassen. Kostenlos. Nach mehreren Testfahrten Ende Februar wurde die mobile Zahnarztpraxis am 03.03.2008 offiziell vorgestellt und in Dienst genommen. Und die Nachfrage ist riesig.
Als Vorbild diente die "Mobile Hilfe", durch welche die Caritas schon 13 Jahre lang Obdachlosen eine Anlaufstelle in gesundheitlichen Diensten bietet. Vergangenes Jahr zählte sie 1650 Patienten. Auch die Zahnärztin Karin Heimer gehörte zu den Leuten, die im Behandlungswagen der "Mobilen Hilfe" mitfahren. Immer dabei hatte sie ein kleines Köfferchen mit Zahnarztbesteck. Doch oft reichte dies für eine Behandlung nicht aus, obwohl eine große Nachfrage bestand. Dies hat sich nun geändert, da sie jetzt mit anderen ehrenamtlichen Zahnärzten und Helfern im Zahnmobil behandelt. An Board haben sie alle nötigen Instrumente wie Zahnarztstuhl, Spülbecken, Bohr- und Absauganlage und sind somit für alle Fälle gerüstet. Heimer weiß, dass viele Obdachlose nicht in eine richtige Arztpraxis gehen und sich dort in ein feines Wartezimmer setzen wollen, obwohl viele von ihnen versichert sind. Deswegen ist es so wichtig, auf diese Menschen zuzugehen. Und das tun sie mit dem Zahnmobil.
Jeden Mittwoch und Donnerstag von neun bis 17 Uhr ist die rollende Zahnarztpraxis in Hamburg im Einsatz. Einem festen Routenplan folgend lenkt der hauptamtliche Fahrer das Mobil zu Szeneplätzen und Unterkünften von Obdachlosen. Ziele sind dabei unter anderem das Pik As auf St. Pauli, die Bahnhofsmission und das Haus Bethlehem. Für Karin Heimer, ihren Kollegen Jürgen Hein und fünf weitere Zahnärzte gibt es also immer viel zu tun.
Es kostete 160.000 Euro, einen Kleinbus zu einer solchen rollenden Zahnklinik umzubauen. 90.000 Euro trug das gemeinnützige Spendenparlament Hamburg. Den Rest teilten sich das Deutsche Hilfswerk und die Caritas. Um den Unterhalt des Projektes abzusichern, ging die Caritas einen Vertrag mit dem US-Unternehmen "Colgate-Palmolive" ein, der erste Sponsoring-Vertrag überhaupt für die katholische Hilfsorganisation. Gemeinsam werden sie die Betriebskosten in den kommenden drei Jahren tragen, die sich auf 150.000 Euro pro Jahr belaufen. Der Colgate-Kommunikationsleiter Wolfgang König betont, dass sie da helfen wollen, wo gar nicht geholfen wird und erklärt damit, warum das Wirtschaftsunternehmen dieses Projekt sponsert. Die Caritas selbst unterstützt es nach eigenen Angaben mit mehreren zehntausend Euro im Jahr.
Jenny de la Torre, eine Berliner Ärztin, betitulierte die Zusammenarbeit zwischen Caritas und Wirtschaft als ein gutes Modell. Sie selbst kümmert sich seit 1994 um Obdachlose und eröffnete 2006 ein Obdachlosenzentrum. Finanziert wird es durch eine Stiftung, die auf Spenden angewiesen ist. Die Ärztin hofft, dass die mobile Zahnarztpraxis Hamburgs eine Vorbildfunktion einnimmt und dadurch auch andernorts ähnliche Möglichkeiten für Obdachlose geschaffen werden könnten.
Auch der Caritas-Sprecher Timo Spiewak erhofft sich eine gute Zusammenarbeit von "Colgate-Palmolive" und dem Wohlfahrtsverband. Sie seien interessiert, die Partnerschaft nach Ablauf der drei Jahre weiterzuführen, meinte Spiewak. Zusätzlich besucht das Zahnmobil an zwei weiteren Tagen der Woche Kinderhilfseinrichtungen wie Schulen in sozialen Brennpunkten an. Allerdings soll dies nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum schulmedizinischen Dienst verstanden werden, so Spiewak.
Sylway Sönksen, eine Zahnarzthelferin, die ebenfalls zum ehrenamtlichen Team der mobilen Praxis gehört, ist bei diesen Besuchen dafür verantwortlich, den Kindern, von denen einige noch nie eine Zahnbürste benutzt haben, das Zähneputzen beizubringen. Sie erinnert sich an einen Einsatz mit Mittagskindern, bei dem zu Beginn 15 Kinder da gewesen waren. Mittlerweile sind es 50.
In Hamburg ist laut Caritas-Direktor Peter Laschinski mit der rollenden Zahnarztpraxis eine neue Dimension der Arbeit mit Obdachlosen erreicht worden und auch Kindern, die in sozialen Brennpunkten aufwachsen, wird Hilfe geboten. Vielleicht nehmen sich andere Städte dieses Mobil als Vorbild. Und vielleicht wird dann dieses zur Zeit noch einmalige Projekt bald nicht mehr einmalig sein.