Eine Allergie ist eine Reaktion des Körpers auf einen fremden Stoff. Es ist eine übertriebene Abwehrreaktion des Immunsystems auf harmlose Reize. Bekannte Auslöser sind Hausstaubmilben, Tierhaare oder Federn, bestimmte Lebensmittel, Medikamente (z.B. Penicillinallergie), Pollen etc. Materialien, die in der Zahnheilkunde verarbeitet werden, gehören auch dazu.
Allergie ist nicht gleich Allergie, es gibt 4 verschiedene Typen, deren Symptome sehr unterschiedlich aussehen können. Alle Stadien zwischen leichtem Hautausschlag und lebensbedrohlichen Zuständen können eintreten. Letzteres wird anaphylaktischer Schock genannt.
Die häufigste Form, auch Typ 1 genannt, ist die Allergie vom Soforttyp. Sie entspricht wohl dem geläufigen Bild einer Allergie. Innerhalb kürzester Zeit reagiert der menschliche Organismus auf einen Auslöser. Ein Beispiel ist eine allergische Reaktion auf eine örtliche Betäubung. Die Spritze wird gesetzt und kurze Zeit später schon machen sich die ersten Symptome bemerkbar: Die Nase läuft, es können Hautausschläge auftreten, Atemnot, Schwindel, Bewusststeinstrübung, bis hin zum Kreislaufkollaps.
Beim Typ 2 dauert die Reaktion mehrere Stunden. Der auslösende Reiz, beispielsweise Partikel von Medikamenten, bilden mit körpereigenen Abwehrzellen Komplexe, die die körpereigenen Zellen zerstören können. Eine mögliche Folge ist Blutarmut, wenn Opfer der Attacke die roten Blutkörperchen sind.
Beim Typ 3 der allergischen Reaktion werden ebenso Komplexe gebildet, diese lagern sich im Gewebe, besonders in Gefäßen, ab. Es entsteht eine Vaskulitis beispielsweise, das ist eine Erkrankung der Gefäße.
Typ 4 ist ein Spättyp. Dabei setzen sich Bestandteile des Allergieauslösers (Allergen) an Körperzellen direkt ab. Das Immunsystem erkennt dies und bekämpft das Allergen, damit aber auch die körpereigenen Zellen. Somit wird das gesamte umliegende Gewebe beschädigt. Diese Folgen treten nach etwa 12 bis 72 Stunden ein. Beispiele aus dem Alltag sind Ekzeme nach dem Tragen von Nickelschmuck oder Transplantatabstoßung.
In der Zahnheilkunde werden viele Materialien in den Mund eingebracht und insofern sie zur Restauration oder zum Zahnersatz gehören, bleiben sie dort auch für eine Weile oder im Idealfall für immer. Dass es dabei zu allergischen Reaktionen kommen kann, ist nicht verwunderlich.
Verwendet werden können unter anderem: Kunststoff, Gold, Titan, Keramik, Metalllegierungen, Amalgam, Kleber, Zemente, Abdruckmaterialien etc. Abdruckmaterialien und Kleber verweilen nur kurzzeitig im Mund.
Meistens kommt es zu einer Reaktion Typ 4. Der Werkstoff wird also in den Mund eingebracht und nach einer gewissen Zeit entstehen im Mund wunde Stellen, Ekzeme. Man geht davon aus, dass 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung eine Allergie gegen mindestens einen zahnärztlichen Werkstoff haben. Und ca. 5 bis 10 Prozent erleiden jährlich ein sogenanntes Kontaktekzem.
Das Thema Allergien auf Zahnersatzmaterialien wird zur Zeit in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen diskutiert, allerdings genauso häufig in der Boulevardpresse vertreten, was nicht selten zur Verunsicherung beim Patienten führt. Als Folge darauf interpretieren Patienten Veränderungen im Mund als Allergieanzeichen und suchen den Zahnarzt auf. Erscheinungen im Mund- und Gesichtsbereich können jedoch zahlreiche Ursachen haben.
Die häufigsten Beschwerden, die den Patienten zum Zahnarzt treiben, sind neben Rötungen Schmerzen, Bläschen, Geschmacksveränderungen und herabgesetztes Allgemeinbefunden. Über Mundbrennen wird häufig geklagt, ebenso über Schwellungen an Ort und Stelle bis zu Atemnot, Magen-Darm-Beschwerden.
Wird der Begriff Allergie gegen Materialunverträglichkeit ausgetauscht, umfassen die Symptome auch Patienten, die diese wegen psychosomatischen Störungen wahrnehmen. Davon sind häufiger Frauen betroffen. Eine Allergie liegt dann nicht vor.
Für den Zahnersatz verwendete Legierungen gibt es viele verschiedene. Je nachdem, welche Mischung vorliegt, entscheidet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer allergischen Reaktion ist. Bei manchen Metallen liegt eine höhere allergene (Fähigkeit, Allergien auszulösen) Kraft vor als bei anderen. Eine hohe allergene Potenz hat zum Beispiel Nickel. Das erkennt man daran, dass viele Menschen eine Nickelallergie haben. Die Betroffenen reagieren häufig gleichzeitig auf Palladium. Kobalt ist ein Metall, welches dem Nickel in nichts nachsteht.
Selten liegen Reaktionen auf Gold, Silber und Kupfer vor. Völlig unbedenklich sind Mangan, Eisen, Rhodium, Platin und Tantal. Aber natürlich eignet sich nicht jedes Metall zur Herstellung von Zahnersatz. Denn die gewählte Legierung muss eine bestimmte Biegefestigkeit haben, ungiftig sein und darf nicht rosten. Man spricht in dem Zusammenhang von der Korrosionsfestigkeit.
Titan galt eine lange Zeit absolut unproblematisch in Bezug auf Allergien. Diese Meinung musste leider geändert werden. Es gab Patienten, bei denen Titan-Sensibilisierungen festgestellt wurden, wenn auch die Anzahl derer sehr gering ist. Man kann jedoch nicht mehr vom Metall ohne Nebenwirkungen sprechen. Metallfreier Zahnersatz bleibt weiterhin ein wichtiges Thema.
Interessant ist dieses Thema, da Titan gehäuft bei Patienten eingesetzt wurden, die mit Unverträglichkeiten auf andere Metalle reagiert haben. Dieser Aspekt muss nun neu bedacht werden.
Allergien gegen Quecksilber, ein Metall, das bei Zimmertemperatur flüssig ist, schließt die Verwendung von Amalgam bei diesem Patienten aus. Quecksilber findet Verwendung in Impflösungen und Augentropfen.
Ein Material, was besonders in letzter Zeit immer mehr Einzug in die Zahnarztpraxis erhält, ist Keramik. Sie besticht durch ihre schöne Optik und führt zu keinerlei Geschmacksbeeinträchtigungen im Mund. Wegen ihrer glatten Oberfläche kann sich Plaque kaum festsetzen und die Mundhygiene wird erleichtert. Außerdem kann sie nicht verfärben und leitet Wärme und Kälte wesentlich weniger stark als Metalle. Somit wirkt sie wie ein schützender Mantel auf dem Zahn.
Anfänglich gab es Probleme in der Herstellung, da Keramik ein sehr sprödes Material ist und gewisse Krafteinwirkungen nur schlecht verträgt. Mittlerweile hat man Wege gefunden, Ästhetik und Funktionalität gut miteinander zu vereinen und so findet man in Keramik ein Material, auf das es keine Allergien gibt. Keramik kann als Inlay, Onlay, Teilkrone oder Vollkrone verwendet werden. Es können sogar Vollkeramikimplantate hergestellt werden.
Kunststoff wird in neuen Füllungsmaterialien, Zahnaufbauten, Fissurenversiegelungen sowie in Prothesen verwendet. Seit kurzem gibt es sogar Wurzelkanal-Füllmaterialien auf Kunststoffbasis. Am Anfang scheidet der Kunststoff einen gewissen Gehalt an kleinen Bestandteilen, sogenannten Monomeren, aus. Normalerweise ist es nicht genügend, um eine Allergie auszulösen. Aus der fertigen Füllung lösen sie sich beim Kauen, werden durch Speichel herausgelöst oder durch Alkohol herausgelöst. Beim Schlucken werden Sie dem gesamten Körper zugeführt.
Menschen, die vorher in Fabriken gearbeitet haben, in denen Kunststoff verwendet wurde, können mit allergischen Reaktionen reagieren. So kann dies z.B. Personen im jahrelangen Umgang mit
Sekundenkleber betreffen.
Patienten mit vielen Kunststofffüllungen leiden unter Unwohlsein und Müdigkeit, ein direkter Zusammenhang ist nicht bewiesen und Symptome einer Allergie sind sie auch nicht. Jedoch wurden schon Typ-1-Reaktionen nach der Versieglung einer Fissur festgestellt, also Symptome, die den ganzen Organismus betreffen, und das nach kürzester Zeit.
Die allergischen Reaktionen äußern sich größtenteils in Kontaktekzemen. Nicht nur die Patienten, sondern auch die Zahnärzte, die tagtäglich damit umgehen, können allergische Reaktionen zeigen. Man geht davon aus, dass 2 % der Zahnärzte und des zahnärztlichen Personals eine Allergie gegen Kunststoff entwickeln mit der Zeit. Besonders starke Auslöser sind die Dentin-Adhäsive, die verwendet werden, um die Kunststofffüllung in das gebohrte Loch zu kleben. Bei Prothesen kann versucht werden, durch ein Nacharbeiten des Zahnersatzes den Austritt von kleinsten Kunststoffpartikeln zu verhindern. Reicht dies nicht aus, müssen diese Materialien konsequent gemieden werden. Es gibt Ausweichprothesenmaterialien, die in Erwägung gezogen werden können. Für kurze Zeit können Silikonunterfütterungen Abhilfe schaffen.
Liegt ein Verdacht vor, sollte der Patient auf die Bestandteile der Füllungsmaterialien untersucht werden.
Um herauszufinden, ob man gegen ein Material allergisch ist, muss erst aufgeschlüsselt werden, was im Werkstoff genau drin ist, um den Übeltäter herauszufiltern. Da es sich nur um eine Materialunverträglichkeit handeln könnte, deren Ursache psychosomatischer Natur ist, muss der Zahnarzt eng mit anderen Ärzten zusammenarbeiten.
Beim Allergietest sind die ersten Ansprechpartner die Hautärzte. Mikrobiologen sind nicht irrelevant, da die Symptome genauso gut durch Bakterien ausgelöst sein können, und dies gilt es auszuschließen. Je feiner die Diagnostik, desto mehr Ärzte mit verschiedenen Schwerpunkten werden um Hilfe geboten; das kann ein Immunologe sein, ein Arzt für innere Medizin oder ein Psychologe. Die Symptome bestimmten die Fachärzte.
Dadurch, dass die anderen Ärzte nur für die Diagnosestellung wichtig sind, bleibt der Zahnarzt der Hauptansprechpartner und einem vertrauensvollen Miteinander steht nichts im Wege.
Wird es konkreter, ist der erste Schritt ein Epikutantest. Epikutan bedeutet „auf der Haut“. Materialien, die im Verdacht stehen, eine Allergie auszulösen, werden auf definierte Bereich der Haut aufgebracht. Der Körper wird provoziert und es folgt eine Reaktion, die der allergischen Reaktion entspricht. Meistens wird der Unterarm genommen oder auch der Rücken. Obwohl die Mundschleimhaut am naheliegendsten wäre, wird sie zur Testung nicht berücksichtigt, denn die Stoffe werden durch den Speichel dort schnell weggespült und die Testung wird sehr schwierig. Das betroffene Areal der Haut zeigt nach 24, 48 oder 72 Stunden Bläschen, Rötungen und Pusteln, wenn gegen den dort platzierten Stoff eine Allergie vorliegt.
Die Aussagekraft dieses Testes ist nicht zu 100 % zuverlässig. Manche Areale erscheinen rötlich, obwohl keine Allergie vorliegt. Der Epikutantest sollte nicht zu oft durchgeführt werden: Wird er mehrmals innerhalb von 4 Wochen gemacht, kann das ständige Auftragen eines Werkstoffes selbst die Entstehung von Allergien begünstigen. Dennoch ist er der einzige, der von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird.
Beachtet werden muss dabei, dass erst 2 Wochen, nachdem akute Allergiesymptome abgeklungen sind, dieser Test durchgeführt werden darf. Bestimmte Medikamenteneinnahmen und starke Sonnen- bzw. UV- Einstrahlung dürfen nicht kombiniert mit dem Test vorliegen.
Dieser Test kann zusätzlich zum Epikutantest angewendet werden, wenn zwar starke Symptome vorliegen, dieser aber negativ oder nicht eindeutig ausfällt. Er kann nur beim Allergie-Typ 4 ein Ergebnis liefern. Der Vorteil an ihm ist, dass er auf nahezu alle Zahnmaterialien angewendet werden kann. Nachteilig ist sein Preis und das aufwendige Vorgehen. Es handelt sich hierbei um einen Bluttest. Aus dem Blut werden Lymphozyten gesammelt und mit dem potentiellen Allergen (dem Auslöser) zusammengebracht. In einem komplizierten Verfahren wird nach mehreren Stunden das Ergebnis abgelesen.
Man sollte nicht bei jeder Unverträglichkeit oder ungewohnten Reaktion auf eine Allergie schließen. Nach einem eingehenden Gespräch, einer Untersuchung und einem Allergietest weiß man Genaueres.
Liegt nur ein Verdacht auf eine Allergie vor und der Patient fordert deswegen den Arzt regelmäßig auf, andere Materialien zu verwenden, sollte er sich Folgendem bewusst sein: Nur bei bestätigter Allergie übernimmt die gesetzliche Krankenkasse für andere (teurere) Werkstoffe die Kosten. Wird vom Zahnarzt immer wieder verlangt, andere Füllungsmaterialien zu verwenden oder auch Prothesenkunststoffe, ohne dass Gewissheit über eine Allergie vorliegt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass sie in manchen Materialeigenschaften schlechter abschneiden. Sonst würden sie ja standardmäßig eingesetzt. So kann eine Füllung auf Zementbasis dem Kaudruck nur schlechter Stand halten und leichter brechen. Farbveränderungen sind häufiger zu beobachten und auch an der Dichtheit mangelt es. Als Folge kann sich schneller eine erneute Karies etablieren.
Alternative Prothesenmaterialien haben Schwachstellen in der Verarbeitung und kommen in der Gesamtbewertung nicht an die Standardmaterialien heran.
Viele Allgemeinbeschwerden, aber auch örtliche Veränderungen werden vom Patienten oft als Allergie auf einen zahnärztlichen Werkstoff gedeutet. Jedoch ist es in den wenigsten Fällen eine Allergie.
Eine genauste Anamnese des Patienten sowie äußerliche Untersuchung und Inspektion der Mundhöhle sollten immer folgen bei Verdacht.
Testverfahren, um eine Allergie bestimmen zu können, sind für eine exakte Diagnose unentbehrlich. Diese Tests werden jedoch nur gemacht, wenn Symptome vorliegen. Anderenfalls kann es durch diese Provokation zu einer Sensibilisierung kommen, der eine Allergie folgt.
Bei einer nachgewiesenen Allergie muss der Werkstoff selbstverständlich konsequent gemieden werden.
Letzte Aktualisierung am 25.11.2016.