Eine Zahnfehlstellung liegt vor, wenn entweder die Zähne selbst zueinander nicht im richtigen Verhältnis stehen oder aber die Kieferform bzw. die Lage es Ober- und Unterkiefers zueinander nicht passen (Kieferfehlstellung = Dysgnathie).
Beim gesunden Gebiss (Neutralbiss) sind die Zähne symmetrisch, die Schneidezähne greifen wie eine Schere ineinander und die Backenzähne sind wie Zahnräder angeordnet. Das ist die Voraussetzung für ein optimales Kauen und Sprechen.
Im Idealfall stehen die Zähne lückenlos und gerade nebeneinander und passen harmonisch in den gesamten Kiefer und in das Gesichtsbild. Allerdings hat nur jeder zwanzigste dieses perfekte Gebiss.
60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden unter einer Zahnfehlstellung. Die Hälfte der Fehlstellungen sind angeboren, die andere Hälfte sind hauptsächlich durch äußere Faktoren, wie zum Beispiel Daumenlutschen bedingt.
Häufige Fehlstellungen sind:
Bei einem Großteil der Fälle sind Zahnfehlstellungen angeboren bzw. durch Erbanlagen begünstigt. Insbesondere die Form des Unterkiefers ist genetisch festgelegt. So führt ein zu kleiner oder ein zurückliegender Unterkiefer zum Vorbiss (allgemein auch als Hasenzähne bekannt).Da die Größe und Form des Kiefers und die Größe der Zähne unabhängig voneinander vererbt wird, kann es sein, dass ein Kind die Kiefergröße von dem einen Elternteil und die Zahngröße von dem anderen Elternteil erbt. Dadurch entstehen Missverhältnisse. Erbt das Kind zum Beispiel einen kleinen Kiefer aber große Zähne kommt es zum Engstand. Hat es die Anlagen zu einem großen Kiefer und im Verhältnis dazu eher kleine Zähne kommt es zum Lückengebiss.
Genetisch festgelegt ist auch die Anzahl der Zähne. Nicht selten sind zu viele oder zu wenige Zähne angelegt, die dann entweder einen Platzmangel oder ein zu großes Platzangebot nach sich ziehen und so Zahnfehlstellungen begünstigen können.
Zahn- und Kieferfehlstellungen kommen aber auch bei genetisch komplexen Syndromen vor, wie zum Beispiel beim Down-Syndrom oder bei der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte.
Aber nicht immer sind die Gene Schuld an den schiefen Zähnen. Viele Verhaltensweisen begünstigen oder verursachen sogar das krumme Gebiss.Gerade Kinder im Kleinkind- und Schulkindalter sind besonders gefährdet, da ihr Gebiss noch nicht ausgereift ist. Häufen sich bestimmte Risikofaktoren, ist die Wahrscheinlichkeit, eine Zahnfehlstellung zu entwickeln relativ hoch.
Zu diesen Risikofaktoren gehören:
Je nach Art der Zahnfehlstellung können die Symptome variieren. Manche Fehlstellungen sind so auffällig, dass sie selbst vom Laien sofort erkannt werden. Andere sind hingegen äußerlich kaum sichtbar und äußern sich nur durch Symptome, die von dem Betroffenen vielleicht gar nicht in Verbindung mit den Zähnen gebracht werden. So können eng beieinander stehende Frontzähne und nach außen gedrängte Eckzähne auf eine Kieferfehlstellung oder einen zu kleinen Kiefer hinweisen. Auch andere Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleisches, wie Karies und Parodontits, können bei einer Zahnfehlstellung auftreten.
Wenn die Zähne nämlich zu eng aneinander liegen und die Zahnzwischenräume nicht mehr gereinigt werden können, kommt es zu vermehrten Bakterienwachstum und Zahnsteinbildung: Die Grundlage für Karies und Parodontits. Wenn bei Schulkindern die Milchzähne verspätet ausfallen, kann dies auch ein Hinweis für eine sich entwickelnde Zahnfehlstellung sein.
Kieferfehlstellungen verursachen häufig Schäden am Kiefergelenk. Diese äußern sich häufig zuerst durch lästige Ohrgeräusche oder Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich. Verspannungen im Nacken finden nicht selten ihre Ursache in den Zähnen!
Nicht zuletzt ist eine klare Sprachen von geraden Zähnen abhängig: sind die Frontzähne nicht gerade gewachsen, hat der Patient besonders bei der s- und z-Lauten Schwierigkeiten.
Besteht der Verdacht auf eine Zahn- oder Kieferfehlstellung sollte ein Besuch beim Kieferorthopäden erfolgen. Hier werden die Durchbrüche, die Anzahl, die Größe, die Formen und Positionen der Zähne kontrolliert und die Kieferverhältnisse mit den Lippen- und Profilverläufen begutachtet. Dies alleine liefert schon wichtige Hinweise, ob eine Zahnfehlstellung vorliegt oder nicht.
Da es für die Behandlung wichtig ist, ob eine Fehlstellung einzelner Zähne oder des gesamten Kiefers vorliegt, schließen sich eine Reihe weiterer Untersuchungen an.
Es werden Gipsabdrücke von den Zähnen gemacht, um ein genaues Modell der Zähne zu bekommen.
In einem sogenannten Panoramaröntgenbild des Kiefers kann sich der Kieferorthopäde ein Bild der Gesamtsituation machen. Hier sieht man noch nicht durchgebrochene Zähne, den Zustand der Zahnwurzeln und der Füllungen und kann zum Teil Krankheiten wie Karies und Parodontits erkennen.
Vor einer Behandlung werden noch spezielle kieferorthopädische Fotos angefertigt. Hierbei handelt es sich meist um ein Fernröntgenseitbild, welches sich durch eine geringe Vergrößerung des Bildes auszeichnet und später Vorteile bei der genauen Berechnung der Fehlstellung bringt. Die Bilder werden meist im Stehen angefertigt. Um ein Verwackeln zu vermeiden, wird der Kopf durch Stöpsel in den Ohren und einer Halterung unter der Nase in der richtigen Position gehalten.In den Bildern kann man die Größe, Form und Wachstumsrichtung von Ober- und Unterkiefer sehen, die Gesichtsachsen einzeichnen und anschließend berechnen, wie stark und in welche Richtung die Korrektur erfolgen muss.
Zahn- und Kieferfehlstellungen bedingen eine Reihe Symptome, die oft nicht direkt mit den Zähnen in Verbindung gebracht werden. Daher sollte auch bei Symptomen wie Nackenschmerzen, Ohrgeräuschen und Sprachstörungen ein Besuch beim Zahnarzt erfolgen. Natürlich gibt es auch eine Reihe weiterer Ursachen, wie zum Beispiel Schäden an der Halswirbelsäule oder Probleme mit den Ohren, die die gleiche Symptomatik hervorrufen können. Komplexere Fehlbildungen, wie das Down-Syndrom oder die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, bei denen die Zahnfehlstellung nur ein Symptom von vielen darstellt, lassen sich meist durch die Kombination mit weiteren Symptomen schnell erkennen.
Nicht jede Zahnfehlstellung muss korrigiert werden. Sinnvoll ist eine Therapie immer dann, wenn Zahn- oder Zahnbetterkrankungen durch die Fehlstellung entstehen oder gefördert werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Zahnzwischenräume so eng beieinander liegen, dass eine Reinigung kaum noch möglich ist.
Wenn bereits die Sprache oder das Kauen beeinträchtigt ist, sich die Lippen nicht mehr schließen lassen und man nur noch durch den Mund atmet, ist es auch dringend ratsam, die Fehlstellung zu korrigieren.
Eine Therapie der Zahnfehlstellungen ist grundsätzlich in jedem Alter durchführbar. Je nach Alter und Schwere der Zahnfehlstellung kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, die Zahnfehlstellung zu beheben.
Die besten Erfolge erzielt man in einem Alter zwischen 9 und 14 Jahren, da sich hier das Gebiss noch in der Wachstumsphase befindet und man die Wuchsrichtung der bleibenden Zähne beeinflussen kann.
Bei jüngeren Kindern kommt hauptsächlich die Funktionskieferorthopädie in Frage. Die Kinder müssen spezielle Mundeinlagen im Mund halten. Dadurch werden die Muskeln gestärkt und durch die eigene Kraft wird ein passender Druck aufgebaut, durch den kleinere Fehlstellungen verbessert werden können. In vielen Fällen reicht diese Methode aber nicht aus und es wird notwendig, von außen eine Kraft auf den Zahn einwirken zu lassen. Der Zahn liegt nicht versteinert im Zahnbett, vielmehr ist er an elastischen Fasern aufgehängt. Bei Zug oder Druck können sie sich entsprechend verlängern oder verkürzen und halten irgendwann den Zahn in seiner neuen Position. Diese Krafteinwirkung wird durch Zahnspangen erreicht. Zahnspangen gibt es einmal als herausnehmbare oder als festsitzende Spangen (Brackets).
Herausnehmbare Spangen eignen sich besonders gut bei Korrekturen der Schneidezähne, wo nur die Zahnkrone durch eine Kippbewegung (und nicht die Lage der Zahnwurzel) verändert werden soll. Sie sollten möglichst lange am Tag getragen werden, mindestens allerdings 14 Stunden. Zum Essen, Sport und zu Zähneputzen dürfen sie kurzzeitig entfernt werden und sollten dann in einer stabilen Box aufbewahrt werden, um Verbiegungen zu vermeiden.
Festsitzende Zahnspangen kommen immer dann zum Einsatz, wenn auch die Wurzelstellung korrigiert werden soll.Um eine optimale Krafteinwirkung auf den Zahn zu gewährleisten, werden sogenannte Braquets vom Kieferorthopäden exakt auf den Zahn positioniert und mit einem Kunststoffkleber befestigt. Die Braquets sind mit dünnen Drähten miteinander verbunden und gewährleisten eine kontinuierliche Krafteinwirkung über Monate. Oftmals ist vor der Behandlung mit einer festen Spange eine Behandlung mit einer losen notwendig, um das Gebiss vorzubereiten.
Bei erwachsenen Patienten ist es nicht selten notwendig, einzelne Zähne vorher zu ziehen, um Platz für die verbleibenden zu schaffen. In sehr seltenen Fällen ist die Kieferfehlstellung so gravierend, dass eine chirurgische Therapie notwendig werden kann. Der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg kann in diesen Fällen Teile des Kiefers entfernen oder verlagern.Eine kieferorthopädische Behandlung ist meist sehr langwierig und kann zwischen wenigen Monaten und mehreren Jahren dauern.
Die Prognose hängt entscheidend von der Mitarbeit des Patienten bzw. der Tragdauer der Spange ab. Je öfter und länger die Spange getragen wird, umso schneller stellen sich Erfolge ein.Wird die Spange längere Zeit nicht getragen, ist es möglich, dass sie bereits nach einer Woche nicht mehr passt und vom Kieferorthopäden erneut eingestellt werden muss. Die besten Erfolge erzielt man bei Kindern im Wachstum, da hier noch die Lage der Kiefer zueinander verändert werden kann.
Eltern können einen großen Teil dazu beitragen, dass ihre Kinder später mit einem strahlenden Lächeln durch die Welt gehen können. Wenn möglich sollten Säuglinge gestillt werden. Das ist nicht nur für die Zähne gut, sondern bietet auch eine Reihe weiterer gesundheitlicher Vorteile. Beim Zahnarzt kann man sich beraten lassen, welche Schnuller relativ zahnfreundlich sind und nicht solche Schäden hervorrufen wie Daumenlutschen oder herkömmliche Schnuller. Mit zwei bis drei Jahren entwöhnt man am besten die Kinder von den Schnullern. Merkt man, dass das Kind vorwiegend durch den Mund atmet, empfiehlt es sich, die Ursachen dafür zu klären und gegebenenfalls zu beseitigen, damit die Zähne nicht zu sehr nach vorne wachsen.
Kommt es trotzdem zu Zahnfehlstellungen, können durch eine frühe Erkennung und Behandlung gute Ergebnisse erzielt werden. Am Anfang fällt es den Patienten oft schwer, sich mit der Zahnspange abzufinden und damit zurecht zu kommen. Mittlerweile gibt es gerade für Erwachsene Keramikzahnspangen und unsichtbare Zahnspangen, die kaum noch auffallen und kosmetisch besser akzeptiert werden. Das Sprechen fällt anfangs oft schwer, lässt sich aber durch gezielte Leseübungen trainieren.
Wichtig ist die gründliche Zahnpflege. Nahrungsreste sammeln sich in den Ecken der Braquets und können Karies und Mundgeruch verursachen. Die notwendige gründliche Reinigung kann durchaus 10 Minuten oder mehr in Anspruch nehmen. All diese Mühen sollten einem aber ein schönes und gesundes Gebiss wert sein.
aktualisiert am 14.03.2017