Wenn Ober- und Unterkiefer schief gewachsen sind und nicht richtig aufeinander passen, hat dies weitreichende Konsequenzen auf das Zusammenspiel von Gelenken, Sehnen und Muskeln. Solche Kieferanomalien führen über kurz oder lang zu einer Überlastung der Zähne und des betreffenden Gewebes. Auch wenn der Betroffene hiervon zunächst nichts wahrnimmt, reagiert der Körper auf die Dysbalance. Eine Überlastung der Kieferpartien kann bis hin zu Rückenschmerzen und Verspannungen führen.
Fehlstellungen der Zähne und des Kiefers gibt es viele. So können die Zähne schief gewachsen oder verschoben sein. Hat der Kieferknochen eine ungünstige Form und bedingt dadurch eine Fehlstellung, so spricht man von einer Kieferanomalie.
Ein Überbiss, der auch als Scherenbiss bezeichnet wird, ist im Volksmund als „Hasenzähne“ bekannt. Hierbei überragen die oberen Schneidezähne sichtbar diejenigen des Unterkiefers. Das Größenverhältnis zwischen Oberkiefer und Unterkiefer ist hierbei aus dem Gleichgewicht geraten, denn der Unterkiefer ist im Verhältnis zum Oberkiefer zu klein, sodass die oberen Zähne vor den unteren liegen.
Der Unterbiss oder Vorbiss ist eine vergleichsweise selten auftretende Fehlentwicklung der Kiefer. Folge hiervon können Probleme beim Sprechen, Beißen und Kauen sein.
Der Kreuzbiss ist eine relativ häufige Anomalie des Kiefers. Bei dieser kreuzt sich die untere mit der oberen Zahnreihe. Ein Teil der Zähne des Unterkiefers ragt bei einem Kreuzbiss seitlich über die Zähne im Oberkiefer hinaus. Aus diesem Grund wird ein Kreuzbiss auch als „schiefer Biss“ bezeichnet.
Neben diesen Varianten kommen noch einige weitere Kieferfehlstellungen vor. Die Folge sind neben den möglichen Schäden an den Zähnen und den Kiefergelenksproblemen auch psychische Probleme, da die Ästhetik des Gesichts verändert ist. Die Fehlstellungen führen zu sichtbaren Auffälligkeiten, durch die das Selbstwertgefühl leiden kann.
Ehe ein Kieferorthopäde den Betroffenen behandeln kann, muss er sich natürlich zunächst einmal ein Bild über dessen Beschwerden verschaffen. Nach einem Untersuchungsgespräch mit dem Patienten betrachtet der Arzt die Gesichtsform und untersucht den Zahnapparat. Hierbei ist für ihn nicht nur interessant, wie Unter- und Oberkiefer zueinander stehen - auch verschiedene Funktionstests geben dem Arzt Aufschluss über die Beweglichkeit von Kiefergelenk, Zunge und Lippen.
Sollte man zum ersten Mal bei einem Kieferorthopäden sein, wird dieser Abdrücke vom Unter- und Oberkiefer machen. Diese werden als Vorlage für ein Gipsmodell des Kiefers benötigt. Darüber hinaus ist in der Regel auch ein Röntgenbild vom kompletten Gebiss des Betroffenen angesagt. Hierfür ist eine sogenannte Panorama-Schichtaufnahme bestens geeignet. Auf dem Röntgenbild lässt sich erkennen, ob die Zähne quer im Kiefer liegen und ob bei erwachsenen Patienten noch mit Weisheitszähnen gerechnet werden muss.
Grundsätzlich ist nicht jede Unregelmäßigkeit korrigierungsbedürftig. Wenn sich jedoch körperliche Beschwerden und Einschränkungen beim Kauen, Sprechen oder Beißen bemerkbar machen, sollte der Gang zum Kieferorthopäden erfolgen.
Während Zahnspangen bei der Behandlung von Kieferfehlstellungen bei Kindern in vielen Fällen ausreichen, um den Unter- und Oberkiefer in die gewünschte Form zu bringen, ist dies bei Erwachsenen nicht so einfach. Zahnspangen können den ausgebildeten Kieferknochen eines Erwachsenen nicht mehr verformen. Handelt es sich lediglich um Lageveränderungen oder schiefe Ausrichtungen der Zähne, dann kann auch bei Erwachsenen noch eine Zahnspange erfolgreich eingesetzt werden.
Probleme, die durch die Form der Kieferknochen bedingt sind, lassen sich allein mit einer Zahnspange jedoch nicht korrigieren. Abhilfe schafft in diesem Fall eine Operation, bei der die Kieferknochen in die gewünschte Position gebracht werden (Umstellungs-Osteotomie). Der Kiefer wird so korrigiert, dass die Zähne der oberen und unteren Reihe gut aufeinander zu liegen kommen. In der Regel muss der Patient im Anschluss an die Operation zusätzlich noch eine Spange tragen, denn durch die Operation wird der Kiefer verkürzt oder verlängert, was zu Zahnlücken oder zu Platzmangel im Mund führen kann. Daher ist es notwendig, Zähne in die richtige Position hineinzuschieben, was durch eine festsitzende Spange geschehen kann.
Die ganze Prozedur ist aufwendig. So kann sich die Behandlung auf einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren oder noch länger erstrecken. Daher gilt es im Einzelfall abzuwägen, ob die Vorteile, die sich durch eine Korrektur erzielen lassen, größer sind als die Belastungen, die im Rahmen der Behandlung für den Patienten anstehen. Zu bedenken sind auch die Kosten, die bei Erwachsenen in vielen Fällen nicht von der Krankenkasse übernommen werden.
Ein ausführliches Beratungsgespräch mit einem erfahrenen Kieferorthopäden ist vor Beginn der Therapie daher unverzichtbar.
Letzte Aktualisierung am 23.03.2017.