Wenn Patienten ihr Gebiss vernachlässigen, so muss nicht immer Bequemlichkeit im Spiel sein. Tatsächlich geht die Deutsche Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie davon aus, dass bis zu 2/3 der Bevölkerung von Angstzuständen vor dem Zahnarzttermin geplagt wird. Verständlicherweise wachsen die Sorgen, wenn eine größere Behandlung wie eine Entfernung der Weisheitszähne (Extraktion) anberaumt ist. Werden die Ängste zu groß, dann ist es sinnvoll, gegen diese etwas zu tun. Zur Angstverminderung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Eine Zahnarztphobie ist weit verbreitet. Das hat erhebliche Folgen, da das Schadbild im Mund dieser Patienten oftmals beträchtlich ist. Dabei lassen sich Probleme an den Zähnen kaum "aussitzen" und eine Verweigerungshaltung und Vermeidung kann fatal sein. Vernachlässigte Zähne können ernste gesundheitliche Probleme nach sich ziehen, im Extremfall bis hin zu Herzschäden, wenn Bakterien aus Entzündungsherden im Mund Richtung Herzmuskel geschwemmt werden.
Die Ängstlichkeit vor dem Zahnarztbesuch ist dabei durchaus verständlich. Die Situation, innerhalb des Mundes mit eindringenden Werkzeugen bearbeitet zu werden und wenig Kontrolle darüber zu haben, ist wohl für jeden Menschen unangenehm. Auch besteht die Angst, dass es jederzeit sehr schmerzhaft werden könnte.
Gerade an den Weisheitszähnen, die erst spät durchs Zahnfleisch hervorbrechen, sind Vereiterungen und Karies gar nicht so selten. Das liegt an der ungünstigen Lage, die der so genannte Achter im Mund hat. Für den Zahn, der (von der Mittellinie aus gerechnet) an 8. Stelle sitzt, ist in unserem Kiefer meist zu wenig Platz. Daher begünstigen Weisheitszähne Verschiebungen und Fehlstellungen im Gebiss. Sie behindern oftmals die Mundhygiene, so dass sie selbst oder ihre Nachbarzähne faulen können.
Die Weisheitszahnbehandlung ist kein angenehmes Szenario, zumal dann, wenn Patienten von einer Zahnarztphobie gequält werden. Die äußert sich mit Schweißausbrüchen und Schwindel und kann sogar zu Herzrasen samt Atemnot führen. Dabei lassen sich viele Weisheitszähne ganz normal, wie andere Zähne auch, extrahieren. Zudem sorgen moderne Betäubungsverfahren für eine schmerzfreie Behandlung. Diese Überlegung ist für eher rational agierende Patienten oftmals hilfreich.
Was die meisten Betroffenen als unangenehm empfinden, sind der Geruch in der Praxis, die (knackenden) Geräusche sowie der Ruck am Kopf. Auch der Geschmack des eigenen Blutes vermag zu irritieren, zumal (aufgrund der Verdünnung durch den Speichel) die Stärke der Blutung häufig überschätzt wird.
Gerade Ärzte, die sich auf Angstpatienten spezialisiert haben, werden vor dem Eingriff den genauen Ablauf erläutern. Auch während der Behandlung sagt der Zahnmediziner immer wieder, was er als nächstes ausführt. Zudem gilt, dass der Patient das Heft des Handelns in der Hand hält, denn viele Betroffene fürchten den Kontrollverlust. Hierbei ist es unentbehrlich, dass der Patient sich beispielsweise durch Handzeichen bemerkbar machen kann, wenn es ihm besonders unangenehm ist und er eine Pause braucht.
Damit stellt bereits die Wahl einer spezialisierten Praxis eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen die eigene Angst dar. Der Patient muss das Gefühl haben, vom Zahnarzt und vom Personal verständnisvoll und umsichtig in einer angenehmen Atmosphäre behandelt zu werden. Bereits am Anfang sollte man dem Zahnarzt mitteilen, dass eine erhebliche Zahnbehandlungsangst besteht. Falls bereits die Kontaktaufnahme mit der Praxis größte Schwierigkeiten bereitet, kann dies auch ein Angehöriger oder Freund übernehmen. Ohnehin kann eine Begleitperson hilfreich sein, die den Patienten moralisch unterstützt und bei Bedarf mit ihm reden kann. So ist man als Betroffener mit seiner Angst nicht allein.
Ebenso können, wie bei anderen Phobien auch, Yoga, autogenes Training und ähnliche Methoden der Stressbewältigung genutzt werden. Unter Umständen kann auch ein Kräutertee mit beruhigender Wirkung zu mehr Gelassenheit vor dem Gang zum Arzt sorgen.
Auf keinen Fall jedoch darf die Angst vor dem Eingriff mit Alkohol bekämpft werden. Im Zweifel (und falls wirklich nötig) wird der Zahnarzt in seiner Praxis zusätzliche Medikamente gegen die Panik verordnen.
Helfen können Kopfhörer mit spannender Musik. Die Musik lässt die unangenehmen Geräusche durch den Zahnarzt in den Hintergrund rücken. Auch ein Hörbuch kann während der Zahnentfernung Ablenkung verschaffen.
Weit verbreitet ist heute die Hypnose, die von spezialisierten Zahnärzten gerne genutzt wird. Hier führt die suggestive Beeinflussung dazu, dass die Patienten unangenehme Empfindungen einfach ausblenden. Normalerweise muss auch die Hypnose mit einer lokalen Betäubung kombiniert werden. Allerdings kann und darf Hypnose nicht bei allen Patienten genutzt werden; Versicherte, die in psychotherapeutischer Behandlung sind, sollten in aller Regel nicht hypnotisiert werden.
Viele Praxen nutzen übrigens auch simple Methoden des Stressabbaus, die auf die Kraft schöner Bilder und die Liebe zur Natur setzen. So ist schon länger bekannt, dass bei Menschen, die ein Tier streicheln, Pulsschlag und Blutdruck gesenkt werden. Da dieser Effekt auch beim Beobachten von Fischen eintritt, sind bereits in den 80er Jahren in vielen Arztpraxen und Vorräumen von Altersheimen Aquarien aufgestellt worden.
Viele spezialisierte Zahnärzte bieten Behandlungen unter Sedierung an. Die Extraktion erfolgt dann in einem Dämmerschlaf, was den Betroffenen über ihre Angst hinweg hilft und eine stressarme Behandlung ermöglicht.
Im äußersten Fall kann eine Vollnarkose in Frage kommen, damit der Angstpatient nichts von dem Zahneingriff mitbekommt. Zwar lehnen einige Seiten diesen Schritt ab, denn von einer Vollnarkose verschwindet, so die Argumentation, die Angst ja nicht. Wenn es nicht anders geht, ist dennoch eine Vollnarkose sinnvoll, um die Zahnbehandlung ohne weitere Probleme durchführen zu lassen.
Letzten Endes muss jeder Betroffene also seinen eigenen Weg finden.
aktualisiert am 08.06.2017