Unsere Zähne sind von der Umgebung durch den Schmelz abgeschirmt, nach weiter unten durch das Zahnfleisch. Zieht sich das Zahnfleisch zurück oder wird der Schmelz an der Stelle stark vermindert, verspüren wir Schmerzen, wenn wir kalte Speisen zu uns nehmen oder ein kalter Lufthauch an der Stelle vorbeizieht.
Sogar süße, saure oder heiße Lebensmittel werden zu einem unangenehmen Erlebnis.
Meistens entstehen diese Defekte durch eine Kombination aus Zahnschmelz- und Zahnfleischrückgang, was mit einer falschen Putztechnik und nicht selten mit einer Parodontitisbehandlung zusammenhängt. Das Alter des Patienten ist bei der Entstehung nicht ganz unwesentlich. Diese sogenannten Rezessionen können also als Folge einer Entzündung entstehen, genauso auch ohne entzündlichen Auslöser.
Wenn man den Zahn von vorne betrachtet, sieht man nur Schmelz. Dieser wird unter dem Zahnfleisch nicht fortgesetzt. Denn dort ist der äußere Zahnmantel aus Zahnzement. Im Normalfall liegt das Zahnfleisch ca. 0,5-1mm höher, als der Schmelz beginnt. Die Schmelz-Zement-Grenze wird also vollständig von Weichgewebe bedeckt.
Die Defekte können alle Flächen des Zahnes betreffen: also zur Lippe bzw. zur Backe hin, zum Mundinnenraum hin, oder zwischen den Zähnen. In stark ausgeprägten Fällen sind bei mehreren Zähnen alle Stellen betroffen, der Zahn wirkt unnatürlich lang und die Zahnfleischpapillen zwischen den Zähnen fehlen.Wie bereits im Eingang beschrieben, gibt es verschiedene Ursachen für freiliegende Zahnhalsdefekte.
Beginnen wir mit den nicht-entzündlichen Entstehungsfaktoren. Man erkennt sie daran, dass das Zahnfleisch nicht entzündet ist und die Defekte meistens im Frontzahngebiet und an den Eckzähnen auftritt. Man nennt diese Läsionen auch traumatisch bedingt. Der Name rührt daher, weil sie oft durch eine falsche Putztechnik auftreten. Die Zahnbürste wird zu fest aufgedrückt und die Zähne mit schrubbenden Bewegungen geputzt. Gerade der Eckzahn, der eine sehr dominante Stellung im Zahnbogen hat, wird Opfer von dieser Putztechnik. Man erkennt das an waagerechten Rillen, die sich in die Zahnhartsubstanz eingearbeitet haben. Schmelzdefekte können jedoch auch beim Knirschen entstehen.
Eine weitere nicht entzündliche Entstehungsursache kann durch festsitzende Kieferorthopädische Geräte erfolgen. Werden die unteren Schneidezähne nach vorne geschoben, werden sie ggf. aus ihrem Zahnfach verschoben. Das bedeutet, der Zahn ist von vorne nicht mehr genügend mit Knochen bedeckt und nur noch eine dünne Schicht Zahnfleisch liegt schützend darüber. Dass diese mechanischen Reizen nur noch wenig entgegensetzen kann, ist klar.
Wie wird festgestellt, dass man einen freiliegenden Zahnhals hat? Manche Patienten merken dies im Anfangsstadium gar nicht. Wenn es nicht schmerzt, oder es nicht optisch stört, werden diese Stellen erst durch den Zahnarzt entdeckt. Wenn dann nur die Bereiche, die zur Wange oder Lippe hin liegen. Die anderen sind für den Patienten ohne Hilfsmittel eher schlecht einsehbar.
Woher weiß man nun, ob es sich um einen freiliegenden Zahnhals handelt, oder ob der Zahn einfach ein wenig länger ist?
Der Patient wird im Rahmen der Anamnese über seine Putztechnik und Gewohnheiten der Mundhygiene befragt und wann er den Zahnfleischrückgang das erste Mal beobachtet hat. Wichtig ist noch die Befragung nach Beschwerden und ob eine feste Zahnspange getragen wurde. Oftmals befürchten die Patienten den Zahnverlust und gehen deswegen erst zum Zahnarzt.Vor einer Therapie, welcher Art auch immer, muss ein Gesamtbild über den Zustand der Zähne und der Mundgesundheit erfasst werden. Liegt eine Parodontitis vor oder andere entzündliche Prozesse, müssen diese erst abgeklärt und geheilt werden. Bei Bulimie oder falscher Ernährung ist die Beratung und Aufklärung des Patienten das Wichtigste, um nach der Therapie stabile Verhältnisse halten zu können.
Zahnhalsdefekte ab einer Tiefe von 0,5mm sollten therapiert werden, damit sich in diesen kleinen Kuhlen keine Essensreste sammeln und das Dilemma verschlimmern und damit keine Schmerzen auftreten. Wird die natürliche Zahnform so natürlich wie möglich wieder hergestellt, kann am ehesten eine normale Mundhygiene eingehalten werden, was für den gesamten Zahnhalteapparat am besten ist. Durch eine kleine Zahnhalsfüllung kann also der Kariesentstehung, der Plaqueansammlung und eine (weitere) Zerstörung des Zahnhalteapparates vorgebeugt werden.
Eingesetzt werden an der Stelle bevorzugt Kunststofffüllstoffe, die der starken Biegebeanspruchung an der Stelle gerecht werden. Ist das Zahnfleisch schon stark zurückgegangen, kann eine zahnfarbene Füllung zu optisch sehr langen Zähnen führen, was für den Patienten als unbefriedigend angesehen wird.
Eine Möglichkeit wäre, einen Teil der Füllung, nämlich den zum Zahnfleischrand hin, mit Füllungsmaterialien aufzufüllen, die in der Farbe dem Zahnfleisch stark ähneln.
Gerade wenn chirurgische Lösungsansätze nicht in Frage komme, weil der Patient diese ablehnt, ist die Füllungstherapie eine gute Wahl bei jeglichen Zahnhalsdefekten.
Einem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass durch diese Therapie nur der Zahnhartsubstanzdefekt aufgefüllt ist, das zurückgegangene Zahnfleisch jedoch immer noch viel zu kurz, um einen natürlichen Eindruck zu schaffen.
Deswegen gibt es plastische Operationsmethoden, um das Zahnfleisch in Richtung Zahnhals zu bewegen oder Schleimhaut wird dort hin transplantiert. Das Idealziel wäre natürlich die vollständige Deckung des Defektes, dies ist jedoch nicht in jedem Fall möglich. Der Patient muss im Vorfeld über die Möglichkeiten aufgeklärt werden und die Patientenwünsche müssen diskutiert werden.
Umso weniger stark ausgeprägt die Rezession (freiliegender Zahnhals), umso erfolgversprechender die Therapie, so viel ist nachvollziehbar. Eine chirurgische Therapie hat den Vorteil, dass sie optisch weitaus ansprechender ist als die alleinige Füllungstherapie, aber auch funktionell hat sie Vorzüge. Sie schafft bessere Ausgangsverhältnisse zur Kariesprophylaxe und macht eine richtige Putztechnik möglich.
Zum einen kann das schon vorhandene Zahnfleisch Richtung Zahnkrone verschoben werden. Das ist beim koronalen Verschiebelappen der Fall. Eine Vorraussetzung zur Durchführung ist, dass genügend Schleimhaut vorhanden ist, die mobilisiert werden kann. Bei starken Ausmaßen kommt sie daher nicht infrage. Ein Vorteil bei dieser Methode ist die gute Farbanpassung und das der Patient nur eine operierte Stelle im Mund hat.
Diese Lappentechnik, wie man solche Operationsverfahren nennt, kann noch mit einem Transplantat ergänzt werden, wenn zu wenig Schleimhaut vorhanden ist. Es gibt einmal das freie Schleimhauttransplantat und das Bindegewebetransplantat. Beim freien Schleimhauttransplantat wird an einer anderen Stelle im Mund (zum Beispiel am Gaumen) ein Stück entnommen. Und zwar die obere und die mittlere Schicht der Schleimhaut. Das bedeutet, der darunterliegende Knochen ist natürlich noch bedeckt, die Wunde jedoch offen. Beim Abheilen ist diese Stelle recht schmerzhaft, da sie offen zuheilen muss. Außerdem passt sich das Transplantat an der Stelle, wo es verpflanzt wird, farblich nicht optimal ein.
Beim Bindegewebstransplantat muss man sich die Entnahme so vorstellen, dass nur die mittlere Schicht an der Entnahmestelle entfernt wird. Als würde man bei einem Burger nur die Frikadelle wegnehmen, das obere und untere Brot wird wieder zusammengeführt. Die Entnahmetechnik ist etwas schwieriger zu erlernen. Die Vorteile sind jedoch ganz klar: Die Entnahmestelle schmerzt nicht so stark, da sie nicht offen zuheilen muss. Der obere Deckel wird auf die Unterlagen auf den Knochen gelegt. Außerdem passt sich das Transplantat farblich sehr gut in der Empfängerstelle an und die Ergebnisse sind viel ästhetischer.
Durch den Einsatz von Membranen oder Schmelzmatrixproteinen, deren Nutzung und Wirkungsweise relativ komplex sind, kann neues Bindegewebe, Wurzelzement und Knochen geschaffen werden. Natürlich nur in kleinem Ausmaß. Man darf sich dieses Prozedere nicht so vorstellen, dass Knochen „nachwächst“. Aber kleine Defekte können aufgefüllt werden.
Das ist die einzige Möglichkeit, bei großen Defekte, wie sie oft bei starker Parodontitis vorliegen, nicht nur das Zahnfleisch, sondern auch den Zahnhalteapparat zu reparieren oder zu vermehren.
Welches Verfahren bei wem infrage kommt, muss in einer Sitzung ausführlich besprochen werden.
Letzte Aktualisierung am 26.04.2012.